Geschichte
Auszug aus der Zeitung Wiler Nachrichten vom 18.10.2023
Ein Billardclub für einen Franken
Das Spiel mit dem Queue und den farbigen Bällen fasziniert – in Flawil wurde kürzlich ein Verein gegründet der die Randsportart fördern möchte
Eine noble Geste: Der Flawiler Walter Hubatka übergab den Billardraum im Zentrum Feld samt Interieur für einen symbolischen Franken an den neu gegründeten Billardverein. Um das Lokal betreiben zu können, wird Nachwuchs gesucht.
Flawil Frame, Breakball, Snooker, Seitentasche oder Queue, wer mit diesen Begriffen vertraut ist, spielt Billard, so wie Walter Pfister aus Wolfertswil. Er ist Präsident des neu gegründeten Billardvereins Flawil und frönt dem Hobby seit vielen Jahren. «Auch mein Sohn spielt Billard und wir trainieren einmal in der Woche. Es ist schön, wenn Vater und Sohn ein gemeinsames Hobby teilen können», sagt Walter Pfister. Doch nicht nur dieses wöchentliche Training freut den Präsidenten.
Ein symbolischer Akt
Es war vor rund zwölf Jahren, als der ehemalige Färbereibesitzer Walter Hubatka einen Entscheid fasste. Seit Kindheitstagen mit dem Billard verbunden, sein Grossvater und Vater spielten bereits, übernahm er das Billardlokal im Zentrum Feld in Flawil. Hubatka zeigt auf ein spezielles Queue an der Wand und sagt: Sehen Sie, das mit Elfenbeinschnitzereien verzierte Queue gehörte einst meinem Grossvater.» Das Billardlokal ist mit einem Snookertisch und zwei Pooltischen bestückt. Über jedem Spieltisch hängen mehrere halbrunde, aus Glas gefertigte Lampen. «Dem Vormieter war damals gekündigt worden. Ich bot dem Besitzer Peter Giger, ebenfalls ein Textiler, an, das Lokal zu übernehmen und komplett neu einzurichten», erzählt Walter Hubatka. Die beiden Herren wurden sich einig und Walter Hubatka erneuerte sowohl alle Tische als auch die Beleuchtung. Fortan mietete er das Lokal mit Gleichgesinnten und spielt auch heute noch Billard. Er sei schon im fortgeschrittenen Alter und es sei an der Zeit, den Billardclub weiterzugeben, sagt Hubatka und ergänzt: «Es ist schwer, den Inventarwert zu bestimmen und zu verkaufen. Wenn man die Tische zügeln muss, ist das mit grossem Aufwand verbunden. Und man muss das Tuch und die Banden ersetzen.» Hubatka wollte nicht, dass der Verein mit einem Minus starten muss. Aber einfach so verschenken wollte er auch nicht. Deshalb habe er den Raum, samt Interieur für einen symbolischen Franken dem Verein vermacht, erzählt der einstige Textiler. «Dieser Beitrag war nicht nur symbolischer Natur, wir haben den Franken selbstverständlich auch bezahlt», sagt Walter Pfister und Walter Hubatka entgegnet postwendend: «Ja, stimmt, das Geldstück liegt nun auf meinem Schreibtisch und erinnert mich immer an den Billardclub im Zentrum Feld.»
Der neue Verein
«Dass wir die Möglichkeit erhalten haben, den Billardclub weiterzuführen freut uns. Wir schätzen die grosszügige Geste von Walter Hubatka und sind sehr dankbar», sagt Pfister. Nun gelte es aber, den Billardraum zu betreiben und zu finanzieren. Deshalb sei kürzlich der Verein Billard- Club Flawil gegründet worden. Nebst dem Präsidenten Walter Pfister gehören der Aktuar Marc Niemann und der Kassier Willi Hagemeyer zum Vorstandsteam. Es brauche aber noch ein paar weitere Mitglieder. Um diesem Vorhaben Schub zu verleihen, findet am Samstag, 21. Oktober, ein Tag der offenen Tür statt. Es sei mit fachkundiger Unterstützung möglich, den Präzisionssport selbst auszuprobieren, erzählt Pfister und nimmt sein Queue aus dem Koffer neben dem zwölf Fuss grossen Snookerturniertisch.
Ein Sport für Gentlemen
Für den Präsidenten ist Billardspielen faszinierend und beruhigend zugleich. Man muss sich stets konzentrieren. «Manchmal hat man einen guten Lauf und dann hat man Tage, da will einfach keine Kugel in die Tasche. Das Spiel ist reine Kopfsache. Wenn man schon beim Stoss zweifelt, weil man die letzten drei Kugeln schon verschossen hat, kommt es meist nicht gut», erzählt Pfister. Billard sei vergleichbar mit Schach. Man müsse drei bis vier Züge im Voraus planen, ergänzt Hubatka, der mehrere Jahre den Schachclub präsidierte. Für beide ist klar, dass Bil
lard eine Gentlemensportart ist. Dies
gelte nicht nur bei den Profis. Auch
im Amateurbereich sei es üblich, ein Foul zuzugeben. Selbst dann, wenn es der Gegner nicht bemerkt habe, erzählt Pfister. Beim Gespräch mit den WN kommen die beiden Billardliebhaber ins Schwärmen, wenn es um die Profiliga und Spieler wie O'Sullivan, Davis oder Higgins geht. Es sei schon unglaublich, mit welcher Präzision sie den weissen Ball spielen können. Ein Profispieler könne diesen auf einem Feld, das der Grösse eines Bierdeckels entspreche, genau platzieren. Aber auch die Profis seien vor Fehlern nicht gefeit. Das mache das Spiel so interessant und man könne immer etwas dazulernen, sagt Pfister und versenkt nach einer kurzen Konzentrationsphase gekonnt einen roten Ball in der rechten Seitentasche.
Von Andreas Lehmann